Söldnertruppe

20 02 2023

„Ja, ich habe da ein sehr gutes Gefühl. Es wird freilich ein bisschen dauern, bis Sie ein neues Geschäftsmodell für Ihren Laden gefunden haben, aber wenn Sie ein wenig Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative zeigen, dann dürften Sie es schon irgendwie hinkriegen, oder ist das wieder zu viel verlangt, Herr Lindner?

Das ist jetzt Neuland für Sie, aber unsere Unternehmensberatung macht das häufiger. Beim letzten Mal haben wir die FDP mehrere Male in der Regierung beraten und einmal, nachdem sie aus dem Bundestag rausgeflogen war. Das dürfte für uns wohl auch diesmal der Fahrplan sein, wobei ich davon ausgehe, dass Ihnen auch diesmal unsere Ratschläge völlig egal sein werden. Wissen Sie, mir tut das nicht weh. Ich will Ihnen bloß keine unnötigen Hoffnungen machen, schließlich bin ich weder Motivationscoach noch bescheuert.

Für uns ist die wichtigste Frage, was man bisher an Fertigkeiten erworben und an Fähigkeiten gezeigt hat – das wird in Ihrem Fall schnell erledigt sein, deshalb gleich der zweite Ansatz: wo könnten Sie Ihre Neigungen ein bisschen weniger peinlich oder auf Kosten der Allgemeinheit ausleben? Das Ziel einer Insolvenz, und als die dürfen wir das hier durchaus verstehen, ist eben der weitere Betrieb Ihrer Organisation, aber eben nicht mehr als Partei, die so notwenig ist wie eine Bohnermaschine auf dem Kartoffelacker. Was können Sie, Herr Lindner, falls Ihnen auf die Schnelle irgendetwas Sinnvolles einfallen sollte, und wie soll man das so einsetzen, dass keiner von den Auswirkungen belästigt wird?

Wir sind ja in der Zeitenwende, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, sich als Söldnertruppe zu versuchen? Viele in der FDP haben militärischen Hintergrund, weil man da legal Schusswaffen benutzen darf – das wird Ihnen von den richtigen Nazis inzwischen mehr und mehr streitig gemacht, also müssen wir das weiterentwickeln. Für ein bisschen Geld und das subjektive Gefühl, Macht über andere zu haben und zu denen zu gehören, die einen auf der Rasierklinge tanzen lassen, das ist für Sie doch ein vertraute Perspektive, oder? Also ziehen Sie in den Krieg, aber diesmal für die gerechte Sache. Für mehr soziale Absicherung, Bürgerrechte, Innovation und Fortschritt. Das war früher alles einmal Bestandteil des Liberalismus. Damals. Sie müssten sich verbiegen für solche Ziele? Gestatten Sie mir die Frage, Herr Lindner, was genau haben Sie beruflich bisher getan?

Ihre bisherige Krisenkommunikation zeigt eher wenig Einsichtsfähigkeit in die eigene Situation, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Sie scheinen sich nicht mit den Reaktionen der Öffentlichkeit auf Ihre politische Arbeit zu beschäftigen, warum auch immer, und wenn Sie danach gefragt werden, sind an allem die anderen schuld, ganz egal, worum es gerade geht. Es gibt da inzwischen interessante Entwicklungen, dass gewisse Symptome von Betroffenen schneller erkannt werden, und Sie scheinen ein diagnostisches Potenzial zu besitzen. Könnten Sie sich vorstellen, die FDP zu einem Diagnosezentrum für Aufmerksamkeitsstörungen zu entwickeln? Das scheint mir eine sehr gute Wahl, Sie geben sich ja inhaltlich nicht unbedingt mit verlässlicher Arbeit ab, Ihre Aktivitäten kann man auch getrost als nicht übermäßig zielgerichtet bezeichnen, also wären hier manche Möglichkeiten.

Sie müssen das ja nicht alleine machen, Herr Lindner. Ihr Verkehrsminister wäre eine gute Diagnosefachkraft für Zwangsstörungen. Wenn man ein Tempolimit vorschlägt, dann sagt er, das koste Jobs in der Autoindustrie. Sobald man anmerkt, diese synthetischen Kraftstoffe seien betriebswirtschaftlicher Schwachsinn: das kostet Jobs in der Autoindustrie. Eins plus eins macht zwei: Jobs in der Autoindustrie. Der Mann ist doch eine einzige Enttäuschung, da holen Sie sich einen zuverlässig korrupten Speichellecker als Ansager der Unternehmensinteressen ins Bundeskabinett, und dann kann die Sprechpuppe nur einen Satz. Lassen Sie ihn mal etwas leisten, bisher haben sich alle Verkehrsminister etwas geleistet, und zwar eine ganze Menge. Oder Ihre Bundesjustizfachkraft, was war der noch mal von Beruf?

Auf dem Zettel stand auch noch, dass Sie nicht ständig die eigene Regierung schlechtreden wollen. Sie hatten da vielleicht eher noch mehr Eigenlob zur positiven Resonanzverstärkung im Kopf, aber nachhaltig erfolgreicher wäre bestimmt der Betrieb eines Schweigeklosters. Die Leute würden in Scharen zu Ihnen strömen, um zu hören, wie Sie alle die Klappe halten. Wellness pur. Entspannung, Konzentration, endlich mal jemand, der keine Ahnung hat und die Konsequenzen daraus zieht. Mit dem Alleinstellungsmerkmal lassen Sie die Konkurrenz aber so was von hinter sich!

Und wenn Sie dann auch noch Kubicki als Aushängeschild mitnehmen, kriegen Sie von den Krankenkassen jede Menge Rehapatienten. Wenn der bei Ihnen eine Entziehungskur durchhält und anschließend friedlich in der Ecke vor sich hinvegetiert, dann können Sie sogar die Schecks von der Autoindustrie ablehnen.

Minderheitenschutz? Für fossile Energien und Kernkraft? Menschenrechte für SUV-Fahrer? Die Mehrwertsteuer erhöhen und Kindergrundsicherung verhindern, damit Sie Spitzensteuersätze senken können? Wissen Sie was, Herr Lindner? Ich denke, wir belassen es besser bei einem Betriebsausflug ins Jobcenter.“