Gernulf Olzheimer kommentiert (DCLXC): Vigilantismus

17 11 2023
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wir alle kennen den Ausbruch des Volkswillens, wenn sich als Ausdruck der Freiheit die Synagogen spontan entzünden, Schaufenster zerbersten und Wohnheime für rassefremde Elemente im rechten historischen Moment Brandsätze für die Kundgabe der nationalen Identität nutzen. Dann schlägt die Stunde der Apologeten völkischen Scheißdrecks in seiner reinsten Form, die uns weismachen, so ein afrikanischer Gierschlund wolle sich nur in der sozialen Hängematte ausruhen, während er einem anständigen deutschen Facharbeiter den Job klaut, und hätte einer tödlichen Schusswunde aus einer illegalen Waffe entkommen können, wäre er nur als Kämpfer gegen ethnische Säuberungen in seinem Heimatland geblieben. Der Brandsatzwerfer, der Hooligan, die zugesoffenen Glatzen, sie alle nutzen die Ungunst der Stunde, um ihre Sorge brennend als Entschuldigung für die komplette Verdeppung zu artikulieren. Was sie sich als Anarchismus, gar als sozialrevolutionäre Aktion bunt labern, ist nicht viel mehr als eine Kriegserklärung an den Staat, ohne dass sie wie ähnlich verdumpfte Reichsrüben mit ideologischem Geschwiemel Aufmerksamkeit suchen würden. Der Vigilantismus, die zwanghafte Selbstermächtigung, für Recht und Gesetz eintreten zu dürfen, ist keine Lappalie, zumal sie immer unter falschen Vorzeichen operiert.

Die Auffassung der Vigilanten ist stets dieselbe. Der Staat ist zu schwach, Gewalt gegen die Feinde der Gemeinschaft, tatsächliche, viel mehr noch: eingebildete, auszuüben, also müssen Superhelden ohne Geschäftsbereich zur Tat schreiten und das Gesetz vertreten, indem sie es vorsätzlich und ohne Rücksicht brechen. Der Gewaltbegriff ist dabei in der Regel verengt auf das, was mit unmittelbarem Zwang zu bewerkstelligen ist, meist körperliche Grausamkeit oder Straftaten gegen das Leben, um den Tätern eine abschreckende Lektion zu erteilen. Selbst ist die Justiz im Namen des Volkes, die sich zunächst in Bürgerwehren in offen ausgelebten erektilen Potenzritualen zeigt, in Treue steif zu den politischen Primaten, die sich als Ausgleich zum intellektuellen Vollversagen die Schlappschwänze zeigen. Es ist letztlich kriminelle Devianz, die sich paradoxerweise aus der Opferrolle zum Täter aufschwingt, weil ja Angriff die beste Verteidigung darstellt. Sie definieren ihre eigenen Rechtsgüter – deutsche Ehre, das deutsche Weib darf nur vom deutschen Manne vergewaltigt werden und nur der Antisemitismus aus deutschen Landen darf in dem Grenzen des Reichs weimern, dass ihn keiner lieb hat – und bestimmen auf Bemessungsgrundlage des gesunden Volksempfindens die Strafe, die sich auch gleich vollstrecken. Sie handeln wie Diebe, die eine Sache mitgehen lassen, bevor sie geklaut wird.

Doch die gesteuerten oder nicht gesteuerten Bürger, die in heiligem Zorn dem Nachbarn eins in die Fresse zimmern, weil dessen Hautfarbe sich mit Asylkritik oder der Islamisierung des Abendlandes nicht verträgt, handeln nicht aus freien Stücken und schon gar nicht eigenverantwortlich, wie uns das liberale Gelalle vom Braunalgenrand erklären will. Es ist hausgemachter Terrorismus, von rechten Kräften gefordert, organisiert und ausgestattet.

Wohl garstig wird es dort, wo sich die politisch gesteuerten Wahnblinkanlagen des stochastischen Terrorismus bedienen, um ihre Unruhe auf die Untertanen zu projizieren. Im Anfangsstadium reicht es schon aus, eine gespaltene Gesellschaft zu beklagen, damit sich das Fußvolk wie in einer selbst erfüllenden Prophezeiung teilt in die kopflos plappernden Blökmänner und die Ablehnenden, die das Komplott durchschauen. Allein aus einem tiefzerstörten Diskurs lässt sich nicht ausreichend Kapital schlagen, dazu braucht es schon handfeste Randale. Und was wäre eine konservative Truppe aus geistigen Flachspülern, würde sie nicht eben die Demagogie, die dazu geführt hatte, dazu benutzen, ihre Ergebnisse anzuprangern und dem Feind in die Schuhe zu schieben. Die eskalierende Opposition unter dem Etikett der Konservativen, die mit der Brechstange Fakten schafft, um den Staat in die Knie zu zwingen, und das nicht nur aus reinem Machthunger, handelt in destruktiver Absicht. Der scheinbar beliebig ausbrechende Zorn ist für diese Kräfte kein Symptom mehr, sondern ein Instrument im Kampf um den Umbruch zur Einschränkung und Abschaffung der Demokratie.

Hüten wir uns, organisierte Demonstrationen im Machtbereich der Mullahs oder kreischendes Pack unter Hakenkreuzfahnen als Zusammenrottung des Bösen zu sehen. Sie wollten nie die bestehende Ordnung stürzen, sich als der wahre Staat im Staate aufspielen oder gar unter dem Schutz rechter Kräfte Gewalt verüben, die man Migranten unter dem Stigma der Dönermorde selbst anlasten sollte. Hüten wir uns, ein paar bewaffnete Idioten mit höchstens ein paar Handgranaten, Panzern oder wenigen hundert Sturmgewehren für harmloser zu halten als islamistische Hetzer, die den Gottesstaat auf europäischem Boden errichten wollen. Noch ist es ihnen nicht gelungen, den Staat und damit das Land zu zerstören, aber sie machen aus ihrem Plan einer reaktionären Demontage keinen Hehl. Sie wollen Gewalt. Sie sollen genug davon bekommen.