„Selbstverständlich hatten wir die Absicht, eine Mauer zu errichten, aber inzwischen sehen wir ein, dass das nicht nur sehr schwierig ist, sondern die Partei auf Dauer sogar schädigen könnte. Und wenn Sie mal ehrlich sind, Sie würden doch Merz eine Brandmauer nach rechts gar nicht abnehmen, oder?
Kommen Sie mir nicht mit der Binsenweisheit, Politiker würden eh das eine versprechen und dann das Gegenteil machen. Das hat ja ärgerlicherweise Markus Söder für sich gepachtet, in die Marktlücke kommen wir nie mehr rein. Als Volkspartei müssen wir eine möglichst große Spannweite abdecken, die Verfassungsfeinde und Verächter demokratischer Prozesse integriert. Deshalb haben wir uns ja für Friedrich Merz entschieden, und er sich für uns.
Es ist letztlich immer nur die Frage, wo man den eigenen Standort sieht, also definieren wir uns auf die eine Seite und die AfD auf die andere Seite. Dann haben wir eine strikte Trennung, es gibt keine Zusammenarbeit mit denen, zumindest nicht auf Bundesebene oder offiziell. Wir haben eigene politischen Positionen, die sich naturgemäß auch mit anderen Parteien überschneiden, mit der AfD gibt es durchaus Schnittmengen, aber wie gesagt: alles eine Frage des Standpunktes. Nicht wir kopieren die AfD, die machen Friedrich Merz nach.
Beispiel gefällig? Bei nächster Gelegenheit, wenn wieder eine Messerstecherei mit Todesopfern von einem Scheinasylanten verübt wird, fragen wir noch vor allen anderen Ermittlungsergebnissen nach dem Vornamen des Täters, nach der Hautfarbe, nach der Religionszugehörigkeit, ob er Arbeit hatte, eventuell sogar als integriert galt, auch wenn es offensichtlich ja nur eine Scheinintegration war. Ja, der Täter — mutmaßlich, Unschuldsvermutung, das machen auch die Rechten nur aus Vorsicht, damit man ihnen nicht vorwerfen kann, sie würden rechtsstaatliche Standards ignorieren. Wenn sie jetzt sehen, die CDU kümmert sich einen Scheißdreck um Recht und Gesetz, reißen doch nicht wir die Brandmauer ein, sondern die. So einfach ist das.
Noch ein Beispiel? Die AfD hat ja unter Merkel gute Sacharbeit gemacht, das fällt jetzt völlig unter den Tisch. Kein Verbot der Neuzulassung von Verbrennern, keine Bevorzugung von E-Mobilität, sinnlose Förderung von physikalisch unmöglichen Energieerzeugungsformen – nein, das waren wir ja selbst. Oder die FDP, wer weiß schon immer so genau, in welchen Kanälen das Geld versickert. Jedenfalls haben wir angefangen, diese ganz hervorragenden Anträge, die keine Aussicht auf Erfolg haben, selbst wieder einzubringen, um unserer parlamentarischen Mission nachzugehen: den Bundestag an der Arbeit hindern. Dass die AfD jetzt ihren eigenen Anträgen zustimmen muss, steht außer Frage, und damit üben wir als gemeinsame Fundamentalopposition den überparteilichen Schulterschluss. Vielleicht ließe sich hier und da die FDP zur Zusammenarbeit bewegen, aber wichtiger ist doch, dass die Vorschläge jetzt von uns kommen und nicht von der AfD. Wenn sich Friedrich Merz für ein Gendernverbot ausspricht und die Erhaltung des generischen Maskulinums ins Grundgesetz fordert, haben wir die im Sack. Es kommt eben vor allem darauf an, wer die Forderungen stellt, und schon wird AfD-Blau zu Merzbraun.
Man muss ja sehr flexibel reagieren, also auf der einen Seite den Migranten vorwerfen, dass sie sich nicht integrieren wollen, und auf der anderen Seite die Vergabe des deutschen Passes an Ausländer ablehnen, nur weil die seit zehn Jahren einem einheimischen Arbeitslosen den Job als Fachkraft wegnehmen. Auf der einen Seite den einheimischen Erwerbslosen als Opfer des stalinvegangrünen Umvolkungsterrors bedauern, auf der anderen Seite das Bürgergeld bekämpfen, mit dem diese faulen Schmarotzer anstrengungslos satt werden und zur Belohnung für ihre Leistungsverweigerung auch noch Luxuswohnungen mit Heizung und fließend Wasser haben wollen – Geld, das für die Ärmsten der Armen auf der Straße fehlt, die auf der anderen Seite natürlich in einem Anfall von gesundem Volksempfinden zusammengetreten und angezündet werden dürfen, weil zugesoffene Penner unsere Innenstädte voll stinken. Das muss man der AfD lassen, den Spagat kriegen die exzellent hin, weil sie genau unser Werteraster verinnerlicht haben: immer nach unten treten. Dann kann man auch komplexe Lagen wie den derzeitigen Zustrom ukrainischer Sozialtouristen meistern, wenn man feststellt, dass die von Digitalisierung bis Diversity alles mitbringen, was Friedrich Merz so hasst, weil er davon keinen Schimmer hat. Wie von den meisten anderen Sachen auch.
Das deklinieren wir natürlich durch sämtliche Bereiche durch – es gibt keinerlei Denkverbote, vorausgesetzt, Sie denken genau wie Friedrich Merz. Dann ergibt sich auch ganz von selbst die Lösung, wer für die CDU spricht: Friedrich Merz, denn wenn mehr als einer seine Meinung äußert – also die von Friedrich Merz, nicht seine, ich nehme an, Sie haben das kapiert – dann sind ja alle überflüssig, abgesehen von Friedrich Merz. Das wurde bisher in vielen anderen Naziparteien so gehandhabt, das geht also auch in der CDU. Und wenn andere Naziparteien das jetzt bei uns sehen und feststellen, dass es funktioniert, dann sollte es zumindest von deren Seite keine Ausschließeritis mehr geben, was künftige Koalitionen betrifft.
Machen Sie sich keine Sorgen, die CDU wird als erfolgreichste politische Kraft mit Friedrich Merz den nächsten Kanzler stellen. Und dann ziehen wir endlich die Brandmauer hoch gegen diese linksfaschistischen Dreckschweine!“
Wenn du nur nicht so recht hättest.
Manchmal frage ich mich, ob ich mich mit diesen selbst erfüllenden Prophezeiungen nicht wenigstens mitschuldig mache.
Wieso sehe ich bei dieser Koketterie zwischen AfD und den eigenen rechten Mitgliedern gewisse Parallelen zur Weimarer Zeit, dem „nicht Fisch – nicht Fleisch“ mit den Hohenzollern und deren Protegieren bei der Rückkehr nach Deutschland, wo sie sich entgegen vermeintlicher Versprechen wieder und weiter in die Politik einmischten und in erster Linie Anschluß nach rechts gesucht haben wegen des größten Potentials für ein Abschaffen der Weimarer Republik und das Wiedereinführen der Monarchie?
Ein Parteiausschluß Maaßens ist ähnlich unsinnig wie die Farce um Palmer wegen seiner Äußerungen und von daher ist das wieder einmal mediales Geblödel um nichts. Es ist eher schade, dass selbst Qualitätsmedien mit solchem Unfug auf Klickjagd gehen, ohne wenigstens die Hintergründe zu beleuchten.
Selbst wenn Maaßen aus der CDU hinausflöge, ändert das doch nichts an seinem Denken und Tun. Über den VS als Verein, der selbst Rechte fördert und vielfach so tickt, liesse sich gleich weiter ein Roman schreiben. Die momentane Abkehr von dieser Zeit unter auch Maaßen ist m.E. ein Feigenblatt.
So btw. wird von den Medien immer so getan, als ob die Werteunion – die auch Merz protegierte gegen A.Merkel – irgendetwas mit der CDU zu tun hat. Dabei ist dieser Kasperladen lediglich ein eingetragener Verein angeblich wirtschaftsaffiner Konservativer, damit rechts nicht so nach rechts klingt.
Das verbindende Element ist damals wie heute die Wirtschaft, vor allem der Finanzsektor, prominent präsentiert von Friedrich Merz, der in seiner Person zwei Dinge verbindet: eine weitgehend von der Wirklichkeit entkoppelte Wirtschaft, die nur auf Besitz beruht, und die Übertragung dieses Prinzips auf Macht, die er erringen will, damit er sie hat. Diese Wirtschaft hat Hitler und die NSDAP hofiert für schnelle Gewinne, sehr wohl wissend, dass das Kriegsgeschrei nicht inszeniert war, sondern in einem realen Krieg münden würde, für das Milliarden in die Rüstungsindustrie fließen würden, wenn es so weit wäre. Zerstörungen waren der Wirtschaft egal, Menschenleben ohnehin, man würde Vermögen anhäufen und durch internationale Verflechtungen heil aus der Sache rauskommen. So war es nach 1918, so kam es nach 1945.
Deshalb werden diese nationalistischen Kreise auch weiterhin eingebunden. Das Paradoxe ist, wie wir an der AfD-Finanzierung aus Russland sehen, dass die meisten Faschisten nicht nur beste Kontakte untereinander pflegen, sondern sich als Multiplikatoren der Angst hervorragend dazu eignen, den militärisch-industriellen Komplex abzusichern – 100 Milliarden Sondervermögen landen ja nicht im Sumpf, sondern in den Dividenden der Großaktionäre. Und um den Verschwörungsmythos einer internationalen Hochfinanz lebendig zu halten, der unter jüdischer Steuerung die Völker gegeneinander aufhetzt, sind diese faschistischen Propagandisten natürlich auch hervorragend geeignet. Wer könnte das besser als eine vom Staat beaufsichtigte, aber nie bekämpfte Gruppe rassistischer Demagogen? Dass die CDU sich den Anstrich gibt, Antisemitismus und Hass auf andere Minderheiten als Verstoß gegen die Verfassung zu ahnden: geschenkt. Sie bezeichnen sich ja auch allen Ernstes als christlich, ohne dass dabei der Spiegel beschlägt.
Wir werden in Sachsen oder Thüringen bald erleben, wie sich die CDU als Juniorpartner der AfD andient, weil sie sich verrechnet hat. Auch diesmal könnte mehr dabei Schaden nehmen als nur Deutschland, wenn sich die Weigerung, irgendetwas von den klimapolitischen Bierzeltreden umzusetzen, auf den ganzen Planeten auswirkt. Es wird keine Kriege mehr um Territorien geben, sondern um landwirtschaftliche Flächen oder Wasser. Und wieder werden viele gleich von Anfang an im Widerstand gewesen sein.
Mich wundert eher, dass der Deal CDU/AfD noch nicht geschehen ist bis auf die Lokalpolitik wie in Bautzen oder nach der Nummer mit Kemmerich als designierter Ministerpräsident von Gnaden der AfD.
Imho führt die dauernde Krise im Kapitalismus früher oder später zwangsläufig zu faschistischen und autoritären Systemen, spätestens wenn die Zeiten härter werden und das war die letzten Jahre enorm der Fall, was sicher auch ein Grund für den Überfall Russlands auf die Ukraine war, bevor diese völlig Richtung „Westen“ entschwindet.
Andererseits tue ich mich schwer mit diesem ständigen Rufen nach noch mehr und schwereren Waffen für die Ukraine, wenn diese nur Hebel für ein massives Aufrüsten der westlichen Armeen sind und im eigentlichen Konflikt schon zeitlich gar nichts nützen, sondern nur die Rüstungsindustrie füttern.
Sicher ist das eine ambivalente Sicht angesichts des russischen Verhandlungsunwillens und eine wirkliche Lösung habe ich da auch keine; aber ich fürchte, dass das dicke Ende noch kommt und zwar nicht im jetzigen Krieg – siehe die zu erwartenden Verteilkämpfe um die grundlegenden Überlebensressourcen.
Angesichts einer faktisch nicht mehr vorhandenen und in Grundsätzen geeinten Linken hat der rechte Mob da propagandistisch leichtes Spiel. Die Konservativen machen für (die eigene) Kohle sowieso alles mit.
tl;dr
Die (struktur-)konservativen Kräfte, die ihre Privilegien als Werte ausgeben, haben sich auf den Kulturkampf zurückgezogen, was angesichts der angehäuften, verdrängten und zukünftigen Probleme wie eine Selbstzerstörung wirkt, besser: eine restlose Zersetzung wie bei einer Autoimmunerkrankung, in der die Abwehrkräfte sich selbst zerschießen, bis sämtliche Vitalfunktionen kaputt sind. Würde man das als Todeskult bezeichnen, wie manche den Kapitalismus in letzter Konsequenz sehen, dann hat es endlich den Staat und die Bürger erreicht. Die Erzählung vom Aufstieg durch Leistungswillen, von der sozialen Marktwirtschaft, von Solidargemeinschaft und Generationenvertrag ist endgültig als Märchen enttarnt, jetzt nutzen es die Resteverwerter, um noch ein schönes Leben zu haben, bevor wir kapitulieren müssen.
Die Entwicklung der AfD zur faschistischen Partei ging einerseits relativ schnell, weil sie vor allem im Osten viele Nazis einfach einsammeln konnte, auch solche in der CDU; andererseits sind aber ihre Mitglieder noch nicht so richtig ins System eingesickert, dass erste eine regionale Machtergreifung und dann eine auf Bundesebene schon richtig funktionieren würde. Auch wenn die AfD strukturell bereits eine Altpartei ist, deren Mitglieder vor allem Kohle abgreifen und nichts dafür tun wollen – weshalb man sonst in die Union geht – warten sie auf das entscheidende Moment, etwa eine Wahl unter Umständen, die aus politischer Verantwortung keine andere Koalition zulässt. Es wird Merz und anderen CDU-Paschas nur nicht schmecken, dass sie sich als das zeigen müssen, was sie tatsächlich jetzt schon sind: billige, willige Helfer.