Mittwochs geschlossen

9 06 2010

„Haben Sie da etwas Schriftliches? Haben Sie nicht? Ja, da kann man nichts machen. Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Weil, Sie müssten da schon eine schriftliche Zusage haben. Sonst besteht da kein Rechtsanspruch nämlich, verstehen Sie? Das ist so, wenn Sie von der Bundesregierung nicht etwas Schriftliches bekommen haben, dann haben Sie auch gar keinen Beleg dafür, dass die da etwas tun wollten, nicht wahr? So ist das nun mal.

Wahlkampf? Ach, wissen Sie, da wird doch so viel erzählt, das können Sie nicht ernst nehmen. Das haben Sie ernst genommen? Ach du liebe Güte, wie konnte denn das bloß passieren… wie, den Koalitionsvertrag auch? Nein, das ist doch nichts. Das ist nicht belastbar. Das ist nur so ein Stück Papier. Da passiert nichts.

Da müssen wir nämlich sparen jetzt. Haben Sie das Schild gesehen über dem Eingang? Dann wissen Sie ja, dass wir neue Öffnungszeiten haben. Natürlich, das Bundeskanzleramt kann sich auch nicht mehr alles erlauben, wissen Sie – wir haben eben lange Jahre über unsere Verhältnisse gelebt hier, deshalb müssen wir nun Leistungen sparen. Mittwochs geschlossen. Wir können auch nicht ständig regieren. Da wird gespart, verstehen Sie?

Der Herr Außenminister wollte sich zwar erst beschweren, aber das hätte jetzt auch nichts mehr genutzt. Er hat sich dann eher auf Hoteleröffnungen verlegt. Sollten Sie auch mal machen – wegen der vielen Freizeit, nicht wahr? Ach, Sie sind gar nicht stellungslos? Dann will ich nichts gesagt haben.

Alleine die Beleuchtung. Und die Heizkosten, da muss man zuerst sparen. Es ist uns ja wirklich schwergefallen, aber das ging nun nicht anders. Wir konnten das Kanzleramt schließlich nicht den ganzen Tag über auflassen, wenn sich hier doch nichts abspielt. Mittwochs geschlossen, und dann den Donnerstag mit Freitag vormittags – ja, am Nachmittag war nämlich vorher auch schon immer zugesperrt, und jetzt auch am Vormittag, verstehen Sie? Das ist wie Brückentage, nicht wahr. Die Bundesregierung macht dann eine kleine Pause zwischen den Unterbrechungen, und solange die anderen Tage zu ist, wird einfach nichts gemacht. Bis auf weiteres.

Die Regierung heißt ja nicht Regierung, weil sie auf alles reagiert – das ist ein Missverständnis, nicht wahr, das hieße ja sonst Bundesreaktion, oder? Ja gut, reaktionär sind sie natürlich schon, das stimmt auch wieder.

Die haben da schon mal etwas vorbereitet. Damit das dann schneller geht, wenn sie dann mit dem Regieren mal anfangen, wissen Sie. Nein, das geht ja nicht sofort. 2009 mussten sie sich erst mal vom Wahlkampf erholen. Der Koalitionsvertrag, der musste ja auch irgendwann mal geschrieben werden, und dann war so fürchterlich lange Zeit bis zur Wahl in Düsseldorf. Und dann jetzt diese ganzen Tage, bis die Kabinettsklausur – der Bundespräsident? Das kam völlig überraschend. Darauf war wirklich niemand vorbereitet. Da mussten wir natürlich die Arbeit… also das, wie reguläre Wartezeit mussten wir auch erst einmal unterbrechen. Und dann werden wir nach der Fußball-WM, dann ist ja auch gleich Sommerpause, bis die Landtagswahlen kommen, Sie verstehen?

Dienstag zwischen zehn und halb elf, das ist… nee, warten Sie mal, das geht doch nicht. Da ist ja schon fast Mittagspause, wenn Sie dann kommen, ist die Kanzlerin entweder noch nicht da, die kommt immer so um elf, weil um eins ist dann Pause, und sie will rechtzeitig anderthalb Stunden vor dem Kanzleramtsminister aus dem Haus sein.

Dazwischen muss schon auch gespart werden. Wir fangen auch damit an, aber nicht so – erstmal rechnen wir ein paar Sachen aus, und dann warten wir, ob das Verfassungsgericht das auch zulässt. Die Hotels? Ja, das kommt noch dran, aber erst nach der Vermögenssteuer. Dazu müsste man sicher zehn Stunden am Stück ausrechnen, ob sich das lohnt – und wenn das Kanzleramt immer nur zwischen zehn und halb elf… also genau gesagt: es ist sowieso keiner hier, auch nicht nach zehn, nur der Hausmeister kommt hier mal kurz vorbei und schaut, ob der Wachdienst da war, weil der Wachdienst kommt ja auch schon nicht mehr. Die Türen sind ja immer verschlossen, nicht wahr, da braucht’s ja keinen Wachdienst. Das spart schon ein bisschen, man geht ja mit gutem Beispiel voran.

Da werden jetzt viele Stellen gestrichen. Sehr viele. Das sparen wir einfach alles ein. Nein, nicht durch sozialverträgliches Frühableben, die Stellen fallen nur irgendwann weg. In ein paar Jahren also. Oder in ein paar Jahrzehnten, das weiß man nie so genau, verstehen Sie, man kann ja jetzt noch nicht sagen, wann da jemand zu arbeiten aufhört. Und dann muss man natürlich für denjenigen auch noch die Pensionen zahlen, verstehen Sie? Ja, das ist alles ein bisschen unsicher. Aber sicher ist, dass man das jetzt bereits als Sparposten berechnen kann. Also so gut wie gespart. Also jetzt nicht gespart, sondern eher so, dass man wüsste, wenn man mit dem Sparen irgendwann anfangen sollte, dann wüsste man schon mal, wo. Ja, genau. So wie das Sparbuch von der FDP. Da ist ja auch nie etwas passiert – nach der Wahl.

Merken Sie sich das für nächstes Mal, mittwochs ist hier geschlossen. Ja, da brauchen Sie nicht so zu gucken. Handlungsfähig? Dabei sagt man doch immer: Geschlossenheit demonstrieren, vor allem nach draußen? Na, mir auch egal. Der Letzte hier macht das Licht aus.“


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2 responses

9 06 2010
lamiacucina

Schliesstage ! In Italien löst man das anders. Quirinal und andere Regierungsgebäude sind von einem Kranz von Espressobars umgeben. Dort verbringen Regierung und Beamte den ganzen Tag und lesen sich durch Fussball- und Herren.magazine.

9 06 2010
bee

Vermutlich würden die deutschen Staatssekretäre selbst das noch mit der Stechuhr regeln.

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