Auf die Fresse

31 05 2018

„… nicht alle bei sich aufnehmen könne. Der Vorstand habe Nahles jedoch darauf hingewiesen, dass von einer Öffnung der SPD für sämtliche Interessenten nie die Rede…“

„… ein folgenschweres Missverständnis vorliege. Die inhaltliche Beliebigkeit der Vorsitzenden müsse sich ja nicht zwangsläufig auswirken auf ihre Vorstellung von einer …“

„… vorgeworfen worden sei, mit rechten Worthülsen die AfD-Stammwählerschaft zu umwerben. Nahles habe dagegengehalten, sie wolle nur den besorgten Bürgern, die sich aus Angst um die Zerstörung der Herrenrasse…“

„… durch die Ansage, die Politik künftig vollkommen alleine und ohne Rücksprache mit der übrigen Parteiführung zu gestalten, für eine klare Abgrenzung gegenüber undemokratischen Kräften werben wolle, die sich nicht um die…“

„… auch unter SPD-Anhängern das Vertrauen in die Vorsitzende rapide erodiere. Ein Sprecher habe betont, Nahles wolle durch ihre Äußerungen in Bezug auf den inneren Zusammenhalt jetzt erst recht verhindern, dass die Partei von Kritikern und Oppositionellen unterwandert würde, weil dies die Meinungsvielfalt sehr negativ…“

„… die Akzeptanz für die Sozialdemokratie nicht erst seit den vergangenen Monaten sinke. Es handle sich um einen länger anhaltenden Prozess, der allerdings von der Partei erst in den letzten…“

„… im nächsten Wahlkampf klarmachen werde, dass ein Verbot der SPD mit allen Mitteln verhindert werden müsse. Nahles habe betont, dass sie sich daran messen lassen werde, ob sie dieses Wahlkampfziel vollständig und uneingeschränkt erreiche und sich gegen die politischen…“

„… wolle die Partei, was ihre Neuaufnahmen angehe, die AfD als sichere Herkunftspartei einstufen. Dies sei umgekehrt auch der Fall gewesen, weshalb sich jetzt eine…“

„… müssten laut Nahles auch rechtsstaatliche Notwendigkeiten wie die Vollsanktionierung von psychisch erkrankten Erwerbslosen funktionieren, wenn man das gesunde Rechtsempfinden der hart arbeitenden Leistungsträger im…“

„… zu einer extrem gefährlichen und kaum mehr zu korrigierenden Verschiebung politischer Kräftefelder in der deutschen Parteienlandschaft gekommen sei. Um das tragende Gleichgewicht einer wahrhaften Demokratie zu erhalten, müssten sich mit Ausnahme der SPD alle anderen…“

„… nicht Partei für beliebige Befindlichkeiten zugewanderter Schmarotzer mit Pigmentanomalie heiße, sondern Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Darin drücke sich aus, dass der Wille zur Macht auch siebzig Jahre nach…“

„… die Sicherheitsthemen einer SPD-geführten Bundesregierung eher schwer fallen dürften, weshalb bereits jetzt ausgemacht sei, dass sich die Schwerpunkte in Nahles’ erster Kanzlerinnenschaft eher auf Sozialabbau und…“

„… einen durchsetzungsstarken Rechtsstaat gefordert habe. In diesem Zusammenhang habe es auch Überlegungen gegeben, die Gewerkschaften auf ein Maß zu reduzieren, das die Wirtschaft nicht mehr als…“

„… ein konkretes Szenario gefordert habe, wer in einer künftigen Alleinregierung der SPD noch als Bürger gelten dürfe, um den sich die Arbeiterpartei mit ihrer ganzen Energie und…“

„… ungefähr so unbeliebt sei wie Kurt Beck. Das Wahlkampfteam habe ihr geraten, künftig nie wieder in der Öffentlichkeit zu…“

„… hege die Vorsitzende inzwischen auch deutliche Sympathien für den NSU, dessen Mitglieder jahrelang einer zielgerichteten Tätigkeit nachgegangen seien, ohne einmal durch den Antrag auf Sozialleistungen oder einen Strafzettel die deutsche Öffentlichkeit negativ zu…“

„… die Sorgen der Wählerschaft durchaus verstehe. Wenn die Deutschen sich entschieden hätten, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe für alle subjektiv negativen Empfindungen verantwortlich zu machen, dann könne die SPD sich diesem von einer relativen Mehrheit beschlossenen Urteil schon aus demokratischen Erwägungen nicht…“

„… das Polizeigesetz aus Bayern anwenden müsse, um den erwartbaren Ansturm auf die Ortsvereine möglichst schnell wieder zu…“

„… weder in einem Vollzeitjob noch als Rentner die Teilhabe am deutschen Wohlstand genössen. Man könne aber diese Randgestalten in einer gesetzlichen Ordnung nicht auf Dauer als…“

„… müsse die SPD sich in Ländern wie Bayern, in denen eine absolute Mehrheit im Landtag nur noch eine Frage der Zeit sei, durch konsequente Abschiebungen von CSU-Gegnern aus der linken Ecke profilieren, da man den konservativeren Hardlinern sonst nicht das Gefühl vermitteln könne, als durchaus wählbare Kraft vom rechten Rand einen gesellschaftlichen…“





Mein Bamf

30 05 2018

„Im Prinzip sind wir auf einem sehr guten Weg der Integration, und da ist es doch auch sehr positiv, dass gerade im Ressort Seehofer eine so deutlich hohe Quote von Anerkennungen für Asylsuchende zu verzeichnen ist. Wir haben schließlich lange gearbeitet für dieses Ergebnis.

Wir haben sehr gut verstanden, dass man die Flüchtlinge wie den anderen Teil des unteren Randes in unserer Gesellschaft behandeln muss. Sie sind absolut gleichwertig, und deshalb haben wir auch in kluger Voraussicht die Flüchtlings- und die Arbeitslosenverwaltung zusammengefasst. Diese Synergieeffekte sind sehr deutlich spürbar, wir sind sehr zuversichtlich, dass sich das im Laufe der kommenden Jahre noch steigern wird. Wir haben in Teilen der Bundesrepublik schon Vollbeschäftigung und erwarten noch eine sehr deutliche Steigerung, und es gibt gerade in diesen Regionen auch sehr beeindruckende Erfolge der Integration in die deutsche Leitkultur, weil wir den Personen, die mal Menschen in Deutschland werden wollen, mit einer klaren Forderung entgegentreten. Sie müssen den deutschen Rechtsstaat, wie wir ihn verstehen, sehr entschieden als ihre Heimat akzeptieren.

Natürlich geht es da nicht immer mit rechten Dingen zu, Sie wissen doch: Jobs kriegt man auch nicht auf eine Stellenanzeige, da braucht man schon eine Portion Vitamin B. Aber Unternehmen machen das oft im Interesse der Volkswirtschaft, das weiß man ja, und deshalb wollten wir dieses Modell auch auf die Aufenthaltstitel erweitern. Wenn in der rechten Szene schon die Rede ist von einer Asylindustrie, dann muss man diese Chance auch sehr ernst nehmen. Deutschland braucht das.

Es fängt ja bei der Personalauswahl an. Die ist Teil einer sehr großen Erfolgsgeschichte – wir haben auch hier sehr große Fortschritte erzielt in der Integrationsarbeit, indem wir viel fachfremde Kräfte, teilweise ohne jegliche Einzelkenntnisse, in die Entscheidungsprozesse einbinden. Wer sich mit dem Verwaltungsakt nicht auskennt und keine Ahnung von Gesetzen hat, der ist normalerweise in einer solchen Aufgabe falsch besetzt. Wir haben uns aber für eine integrative Integration ausgesprochen, die das an sich nicht vermittlungsfähige Potenzial in die Ämter holt. Wir gehen das Problem von beiden Seiten gleichzeitig an. Ob Sie jetzt jemanden mit hundert Prozent sanktionieren oder ihn wieder ins Mittelmeer zurückschicken, weil Sie ihm nicht zugehört haben, ist doch egal. Es zählt, was hinten rauskommt.

Wir hatten über dreißigtausend Ablehnungen, die von den Gerichten wieder kassiert worden sind. Das zeigt, dass wir die Quote der komplett falschen Hartz-IV-Bescheide noch nicht ganz hingekriegt haben. Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir daran zeitnah arbeiten können, vor allem mit dieser personellen Ausrichtung. Das Modell Mein Bamf ist ja maßgeblich in den internen Ankerzentren der CSU mitentwickelt worden, trotz inhaltlicher Defizite. Es ist ja kein Zentrum und hat nichts mit Ankern zu tun, aber meine Güte, sie heißen ja auch Christsoziale.

Und jetzt sind wir auch schon beim nächsten Schritt, bei der Integration der integrierten Zentren in eine moderne Arbeits- und Asylindustrie, die in der Gesellschaft, also wenn Sie quasi beim Asyl in die Gesellschaft einsteigen, dann sind Sie mit einem Schritt sofort bei der Arbeit und bekommen alle Bescheide von einem Ansprechpartner, der Sie auch bis zur Abschiebung begleitet. Das ist eine sehr gute integrative Leistung, das müssen Sie schon zugeben. Zumindest ämterseitig.

Bisher hatten wir eine Vielfalt von Behörden, die ihre Bescheide ausgestellt haben, das war teilweise recht produktiv, wenn Sie zum Beispiel bei der einen Sache nicht weiterkommen, weil das andere Amt sich Zeit lässt und keine Papiere ausstellt – Sie glauben gar nicht, was das für ein fabelhaftes Instrument der Arbeitssicherung sein kann, wenn Sie nur mal die Ablehnungsbescheide ansehen, dafür können Sie pro Dienststelle eine eigene Abteilung aus dem Boden stampfen, und sozial ist ja bekanntlich, was Arbeit schafft – und jetzt bekommen Sie das als integrierte Lösung. Sie stellen einen Asylantrag, und dann prüfen wir auch gleich die einzelfallbezogene Eignung für die ortsansässige Wirtschaft, als integrative Maßnahme für die Behörde, die dadurch viel flexibler und teilweise sogar schneller reagiert. Oben Antrag rein, unten Bescheid raus. Das haben Sie normalerweise nur, wenn Sie in Bayern besoffen Auto fahren und das Parteibuch im Handschuhfach liegt.

Und wir gehen noch den entscheidenden Schritt weiter, wir machen aus der Verbindung ein Tripel. Doch, das geht in Bayern, man muss es nur sehr wollen. Wenn Sie als Wirtschaft in den Asylbereich einsteigen, und dann haben Sie eine Stelle, dann ordern Sie sich direkt im Ankerzentrum einen Flüchtling, der ist nicht besser qualifiziert als der Deutsche, aber wesentlich preiswerter, und dann können Sie den vollsynchronisiert in Ihren Betrieb integrieren und genau so einsetzen, wie Sie es wollen, und wenn Sie ihn nicht mehr brauchen, dann wird der Ablehnungsbescheid ausgestellt. In einem Aufwasch. Und dann schieben wir ab. Noch ein Industriezweig, den wir eigentlich in das Modell integrieren könnten. Aber warten wir erst mal ab, wenn Seehofer das nächste Mal im Bierkeller spricht. Es hängt viel davon ab, wie hoch seine Anerkennungsquote ist. Eigentlich alles.“





Currywurst und Champagner

29 05 2018

„… fast eine halbe Million für exquisite Schlemmereien ausgegeben worden seien. Das EU-Parlament werde die Zahlungen an die nationalistischen Parteien sofort…“

„… aber glaubhaft versichert habe, dass jeder Bürger seines Landes mindestens eines Flasche Champagner inländischer Produktion verzehre. Wilders verklage außerdem die Islamistische Internationale, die den Alkohol als…“

„… der Haushaltsausschuss des Parlaments eine Verschwendung vorgefunden habe, die sich nicht aus der politischen Verantwortung des…“

„… Lachshäppchen im Wert von hunderttausend Euro geordert habe, da er der Ansicht gewesen sei, ein Landtag drucke sich sein Geld selber, tilge Schulden und gebe unbegrenzt Kredite. Poggenburg habe offensichtlich in suizidaler Absicht eine…“

„… man den Führergeburtstag schließlich nicht mit der Elendskost des Volkes begehen könne. Die Erwerbslosen sollten ihre aus Separatorenmüll und Schlachtabfällen vermanschte Arbeiterscheiße ruhig alleine in den Discountern und…“

„… seien zur Deckung der Telefon-, Post- und Internetrechnungen gedacht. Gauland habe dies stets verteidigt, da erkleckliche Summen in die telefonischen Bestellungen beim…“

„… sich Weidel als Kennerin der arischen Cuisine in die Diskussion eingemischt habe. Eine richtige Tarte könne kein Messerattentäter und keine Kopftuchschlampe mit vollendeter…“

„… pro Person 400 Euro ausgegeben habe. Petry und ihr derzeitiger Gatte hätten dies inzwischen mit der grundlegend asozialen Struktur der Partei und ihrer…“

„… für die steigenden Summen der Luxus-Verpflegung den Fachkräftemangel verantwortlich mache, da die ausländischen Arbeitskräfte in den gering qualifizierten Jobs den christlich-abendländischen Menschen schamlos ihre…“

„… fast zweihundert Flaschen Schaumwein für seinen persönlichen Bedarf geordert habe. Pretzell habe dazu erklärt, er sei nicht in der Lage gewesen, ohne persönliche Zuwendungen schnell genug einen Therapeuten für seine Alkoholerkrankung zu…“

„… nicht absichtlich missachtet habe. Nur seien den Abgeordneten die Regeln immer erst in die Hände geraten, wenn sie einen Blutalkoholpegel von mindestens…“

„… nicht von Butterbroten ernähren könne. Auch ein für den unteren Dreckrand der Gesellschaft tätiger Abgeordneter habe das Recht, regelmäßig ein Filetsteak mit…“

„… vorerst nur Rechnungen für Veranstaltungen geprüft habe, die mehr als 15.000 Euro gekostet hätten. Die AfD habe regelmäßig bei den Feiern der Geburtstage der Bekannten ihrer Lieferanten von Verwandten der…“

„… interne Zwistigkeiten an der Tagesordnung gewesen seien. So habe Storch die Abgeordneten des Front National als systemhörige Schlafschafe bezeichnet, weil diese keinen Riesling aus dem…“

„… sich als anerkannten Experten auf dem Gebiet der hochprozentiger Alkoholika bezeichnet habe. Gauland wisse, dass auch billige Schnäpse ab einer gewissen Quantität die…“

„… um zehn bis zwölf Flaschen gehandelt habe. Putin habe für die Spirituosen zwar dreihundert Euro pro Flasche verlangt, im Gegenzug aber eine sehr großzügige…“

„… sich die Volksvertreter nicht mir Döner oder Currywurst hätten abspeisen lassen, solange die Mehrheit der Deutschen diese Lebensmittel, die eindeutig der Umvolkung des…“

„… die Verschwendung der Altparteien nicht mehr nüchtern ertragen könne. Die Rechtsfraktion habe die Champagnerlieferungen daher aus reiner Volksnotwehr und…“

„… die Summe wieder eingetrieben werden müsse. Storch habe darauf als nationalen Protest den Hungerstreik der Rechtsradikalen angekündigt, in dem alle identitären Kämpfer nur noch von Torte und…“

„… eine der von islamisch finanzierten Systemparteien erfundenen Regeln darstelle, dass die Verteidiger des christlichen Abendlandes kein unbeschränktes Budget von Alkohol, Kokain, Schweinefleisch und…“

„… sichergestellt worden sei, dass keine der AfD nahen Imbissbetriebe mit der Ausrichtung von Fraktionsfeierlichkeiten beauftragt worden seien. Die Alternativen hätten zudem schriftlich dazu Stellung genommen, dass keine Betriebe, die weder Austern noch…“

„… Pommes anbieten würden. Die Rechte könne weder außereuropäische Pflanzen wie die Kartoffel noch den…“

„… für die steigenden Summen der Luxus-Verpflegung den Fachkräftemangel verantwortlich mache, da die ausländischen Invasoren durch ihre Verweigerungshaltung und das Verharren in der sozialen Hängematte die Volkswirtschaft des von den Alliierten gestatteten Marionettenstaates…“

„… als völkisch durchaus notwendiges Verhalten bezeichnet habe. Höcke habe die Praktiken als Rassennotwehr gegen das jüdische Schmarotzertum, das die deutschblütige Minderheit des Reiches in den Grenzen von…“





TO-34b

28 05 2018

„Ichkann. Sienichtver. Stehen.“ Das Ding sah ein bisschen aus wie ein futuristischer Mülleimer, der sich als Droide verkleidet hatte. Es hörte offenbar nicht gut, wackelte mit den Stummelärmchen und drehte sich schnell um die eigene Achse. „Das sind Kinderkrankheiten“, wiegelte die Ingenieurin ab. „Diese Serie wird schon sehr viel besser sein als alle bisherigen Pfleger.“

Der Kasten wusste nicht, was er sollte. „Siesind. Hierneu.“ Ich konnte nicht widersprechen. „Nein“, murmelte sie. „Er meint mich. Es hapert noch ein bisschen an der Gesichtserkennung, aber das kann auch der empathische Schaltkreis sein.“ Wieder drehte sich die Tonne surrend, nickte und drehte die Armfortsätze hin und her. „Dieses Modell ist für die Altenpflege gedacht, deshalb haben wir ihm ein besonderes Einfühlungsvermögen für Demenz mit in die Module gegeben. Es wirkt sich leider nicht vorteilhaft aus.“

Hinten in der Werkstatt wurden die anderen Prototypen montiert, ein ständiges Bohren und Klappern drang aus dem Raum. Nicht alle sahen so aus wie TO-34b, einige waren größer, grüner, mehr aus Plastik oder hatten nur einen Arm. „Die Form folgt natürlich immer der Funktion“, erklärte die Konstrukteurin, „es sind Roboter, und man muss es ihnen ansehen.“ „Verstehe“, antwortete ich. „Sonst würde man einen giftgrünen Papierkorb in einem Pflegeheim leicht mit einem Hund verwechseln.“ Sie runzelte die Stirn, nahm es aber ohne Widerspruch hin. „Können. Wirjetztan. Fangen.“ „Er ist auf das Nachmittagsprogramm vorbereitet“, erläuterte sie. „Die Tablettenausgabe funktioniert schon sehr gut, wollen Sie mal…“ Schon hatte sich ein kleines Schubfach an seinem Rücken geöffnet, in dem eine hellblaue Kapsel lag. Der elektrische Pfleger drehte sich ruckartig um die eigene Achse, so dass die Pille herausgeschleudert wurde, quer durch das Zimmer, und unter den Tisch rollte. „Sie denken aber auch an alles“, lobte ich. „Gleichzeitig macht unser kleiner Freund eine Mobilisierung – das erhöht bestimmt das Algemeinbefinden, wenn unsere Bewohner ihre Medikamente vom Boden aufsammeln.“ Konsterniert blickte sie mich an. „Ich hätte ein paar Anregungen fürs Frühstück, bestimmt kriegt man da ein komplettes Sportprogramm hin.“

Sie überspielte die Situation; wenigstens gab sie sich alle Mühe. „Natürlich kann dies Modell noch nicht alles so perfekt“, befand sie. „Aber für die wesentlichen Aufgaben können wir es schon jetzt erfolgreich einsetzen. Denken Sie nur an die vielen Möglichkeiten zur Entlastungen für Fachkräfte!“ Wie auf Befehl spritzte TO-34b ihr aus den Augen – oder war man bei dieser Plastebüchse dafür hätte halten können – einen Strahl heißes Wasser ins Gesicht. „Schönstill. Halten.“ Der rechte Stummel schnellte in die Waagerechte, und mit Knirschen fuhr er seine Extremität aus. Der Schwamm traf sie unglücklich, so dass ihre Brille halb heruntersank. „Kinderkrankheiten“, bemerkte ich, „sicher sind das nur Kinderkrankheiten.“ Sie hatte viel Seifenwasser im Auge, wobei es mehr Seife als Wasser gewesen sein musste, denn sie reagierte deutlich gereizt. „Wir können auch einen elektrischen Teddy bauen“, keifte sie, „der brummt dann zur Beruhigung, und wir müssen die Insassen… Bewohner, wollte ich sagen, die Bewohner nicht mehr so oft versorgen.“ „Das ist fantastisch“, bekannte ich, „man stellt die Menschen einfach ruhig, es braucht keine Pillen und keinen Anschnallgurt, und falls es doch ein Problem geben sollte, haben sie bis ganz zuletzt wenigstens etwas im Arm gehabt, das brummt. “

Immerhin hatte dieses Spitzenprodukt eine Bedienungsanleitung, die sehr genau Funktionen und Bedienelemente erklärte. „Wir haben recht viel aus der Überwachungstechnologie übernommen – Sie sehen, die Entwicklungen waren nicht ganz umsonst – und können jetzt sehr schnell atypisches Verhalten klassifizieren. Bei der geringsten Gefahr schlägt TO-34b Alarm und sendet dem Pfleger einen Alarm auf den Monitor, wenn das persönliche Eingreifen notwendig sein sollte. Dann…“ „Und was macht er, wenn es zwei Personen gleichzeitig betrifft?“ Sie schwieg irritiert, also fragte ich weiter. „Oder wenn der Alarm anschlägt, während er sich gerade in einem anderen Zimmer befindet?“ Sie ruderte hektisch mit ihren gar nicht so stummeligen Armen. „Das hatten wir im Testbetrieb noch nie, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das in der Praxis jemals vorkommen wird.“ Sie schwieg, trotzig und verstockt. „Außerdem weiß man es sowieso nie. Das sind alles alte Leute, bei denen kann man meistens nicht mehr viel machen.“

Gerne hätte ich an dieser Stelle noch mehr erfahren über die technische Ausstattung des kleinen grünen Männchens, wie lange seine Batterie halten und wie viel er zu tragen vermöchte, doch er ließ plötzlich quiekend die Ärmchen sinken und schaltete sich aus. Ein gelbes Notlicht zeigte noch an, dass er nicht ganz defekt sei, aber das war es dann auch. Weder durch Tasten noch durch die Funksteuerung ließ sich der Kasten aktivieren, er blieb stumm und stur und blinkte langsam vor sich hin, an, aus, an, aus. Die Ingenieurin grinste schief. „Lebensecht, oder?“ Ich stutzte. „Was ist daran lebensecht?“ Sie tätschelte die Kunststoffhaube und dreht ein bisschen an den Reglern. „Er sollte ein gutes Teammitglied werden und sich perfekt in das übliche Betriebsklima einpassen. Keiner kann sagen, wann und warum, aber irgendwann kriegt er halt einen Burnout.“





Meinungsfreie Äußerung

27 05 2018

Was der rechte Aushub der Republik in einer wirren Wahnidee allen anderen unterstellt, nämlich für die Teilnahme an politischen Kundgebungen zum Schaden des deutschen Volkes Geld zu kassieren, das praktiziert dieser Haufe jetzt selbst. Und gibt es, gegen Verleumdungen in den eigenen Reihen, auch noch zu. Das muss dieser Mut zur Wahrheit sein, den die braune Rotte vor sich herträgt. Dumm nur, dass es ihnen wie allen anderen Extremisten geht. Sie überschätzen sich maßlos und kriegen nicht einmal mit Kohle die angestrebten 10.000 Schafe auf die Straße, um eine meinungsfreien Äußerung, vulgo: Geblöke zu inszenieren. Alle weiteren Anzeichen, dass der Tag der Abrechnung auf der Vorstellung geldgieriger, korrupter Bastarde beruht, die alle anderen für geldgierige, korrupte Bastarde halten, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • braun anzug: Da steckt die Alternative drin.
  • sabbatjahre politik: Etliche haben seit 1945 nicht viel mitgekriegt.
  • sozialer brennpunkt bundeswehr: Die Armee im Innern einzusetzen halten Politiker für eine gute Idee – vor allem da, wo sich die Polizei nicht mehr hintraut.
  • springerpresse grundgesetz: Vegane Spezialitäten vom Wildschwein.
  • duzen: Schön für Sie.
  • kreuzerlass: Immerhin wird man in dieser Ausgabe der konservativen Revolution nicht ans Hakenkreuz genagelt.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCCXCIV)

26 05 2018

Wenn Waldemar, Bauer in Gutenwirt,
die restlichen Pferde im Guten schirrt,
sieht er doch mit Grausen
der Ehefrau Flausen,
da dieses Gehöft schon vor Puten schwirrt.

Amado in Abra del Sauce
sprach: „Wenn ich am Abend mich brause,
ist es zum Erfrischen.
Genug Zeit dazwischen,
dass ich mal kämme und lause.“

Ludwika, die sah, wie in Kappe
ihr Kater vor der Katzenklappe
gebannt auf die Tür starrt.
Dahinter das Tier narrt
der Hund, der durch langt, dass er schnappe.

Biboul war verärgert in Ndop.
„Wenn ich diesen Lärm hier nicht stopp,
der mir stets den Schlaf raubt,
kann’s sein, nur ein Schaf glaubt,
dass ich es nicht dafür verklopp!“

Es macht Paweł in Hohenleese
am Marktstand recht großes Gewese,
wer neben ihm aufbaut
und ihm zu laut draufhaut.
Er fürchtet, ihm schimmelt der Käse.

Swetlana, die wütet in Langepas.
„Da ich diesen Stallknecht schon lange hass,
der stets ungewaschen
mit Dreck in den Taschen,
ist’s, dass ich ihn nur mit der Zange fass.“

Der Heimwerker Józef in Kobelwitz
sagt: „Wenn ich am Sonntag am Hobel sitz,
wo andere wandern,
ist’s schön für die andern.
Ich freu mich, dass ich dabei nobel schwitz.“





Gernulf Olzheimer kommentiert (CDXV): Zeitsouveränität

25 05 2018
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Irgendwann – wir wollten die Blumen gegossen haben, aber die Scheiben sind ja so schmutzig, dass man’s eh nicht mehr sieht, auf dem Schreibtisch liegen Mahnungen, in der Ferne bellte eine Maus, die für die Evolution schon mehr Zeit hatte – war der definitiv letzte Termin, das Jahresabonnement vom Fitnessstudio zu kündigen, wie das letzte Mal, und davor, und davor, und davor. Zwölf Stunden des Tages verbringt der postmoderne Nappel auf Arbeit und in Vorortzügen, zwölf Stunden mit Schlaf samt Vor- und Nachbereitung. In der übrigen Tagesmasse geht er seinen Neigungen nach, wird gelassen, ernährt sich gesund, tanzt, nagelt die Fenster zu und zimmert dem Nachbarn eine rein, der ihm die Nachtruhe zur Nichtruhe macht. Für wen, für was, und vor allem: wie gelangt er dabei noch zur Zeitsouveränität?

Am ehesten bemerken wir das Verrinnen der Zeit, wenn außer dem nichts passiert. Der Handwerker hatte seinen Termin auf das Ende der Kreidezeit gelegt, leichte Verzögerungen in Aussicht gestellt und sich danach gemütlich versteinern lassen; wir aber hocken mit Kalk an den Körperausbuchtungen in einer Art versuppender Ewigkeit und hätten in der Zeit Weltreiche planen, durchführen und in die Grütze reiten können, alles im Konjunktiv. Wir hätten fast die Weltformel entdeckt und sie mit Bleistift auf Stullenpapier in eine handliche Form gekürzt. Nebenbei wäre uns Beethovens Zehnte eingefallen, der gerade Turm von Pisa und der Tragödie dritter Teil, das kapitalistische Manifest, der Sekundenwalzer, die braungrüngrauen Pferde, und wir hätten eine Kathedrale für alles errichtet, irgendwo in einem Gewerbegebiet südlich von Gera, wo nachts sowieso keiner nachguckt, ob noch alles steht. Stattdessen haben wir Löcher in die Abluft gestarrt und uns gefragt, wo die Vokabelhefte sind.

Irgendwann, es muss kurz vor dem Eintritt in die Sekundarstufe gewesen sein, wurde jedem von einer besonders unverfrorenen Lehrkraft ins Hirn geschwiemelt, man möge immer ein Lehrbuch der Stochastik mit sich führen, ein Kompendium der Volkswirtschaftslehre oder anderer Clownerie, in der Not ein Wörterbuch Deutsch – Mandarin. In jeder freien Sekunde, bimste der Pauker den Eleven in die kognitiv nutzbare Gallerte, drückt man sich ein Schnipselchen in die Vergessensmechanik, lernt eine Vokabel, und zack! schläft an jenem Abend der Bekloppte ein im Bewusstsein, den diem so was von gecarpt zu haben, dass er gar nicht mehr zum Yolo kommen konnte. Der Legende nach sollen in der handelsüblichen Schlange vor dem Postschalter bereits Analphabeten eine komplette Habilitation in vergleichender Hieroglyphenkunden aus der Rübe gerattert haben. Wenn man gerade nicht die nötige Sekundärliteratur für eine Abrechnung mit Kant im Rucksack hat, ist das okay.

Aktuelle Lebensmodelle, gleitende Sabbatjahre oder Work-Life-Balance, übersehen den Tenor der geltenden Gesellschaft. Während wir auch mit Fieber im Urlaub für den Abteilungsleiter noch ans Telefon kriechen, weil der Daseinsdruck unseren Zwang zur Selbstausbeutung triggert, bölken die Gewerkschaften und ähnliche Laienschieltruppen von der Galerie, Flexibilität und Freiheit als Fanal für eine gesellschaftliche Freiheit zu feiern. Als gäbe es jenseits der Stechuhr ein Leben: natürlich drücken wir den Nachwuchs, kaum dass er stehen kann, in den Fremdsprachenkurs, lassen ihn Ballett und Schießen lernen, Rhetorik auf liberale Art, was man halt so braucht, um sich auf einen Burnout standesgemäß vorzubereiten.

Manchmal neidet die vermeintliche Elite den anderen, die dumm sind und keine Arbeit haben, das Glück. Sie schlafen aus, hätten theoretisch Zeit für umfangreiche soziologische Abhandlungen und bekommen scheint’s wenig Druck dafür, sie haben einen anstrengungslosen Zeitwohlstand wie nur die adligen Schmarotzer, die man eigentlich an der Laterne entsorgt glaubte. Was in der Mittelschicht als Entgrenzung der Arbeit antrainiert wurde, geht hier als Ablehnung unbedingter Selbstzerstörung durch. Der globalisierte Bescheuerte hat nur einen Sinn vor Augen, die Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit, und die erlaubt ihm keine halbe Minute mehr in der Warteschleife.

Hatte der Hominide schon vorher wenig Sinn für das Unendliche, hier hat er auch noch die Einsicht in die Endlichkeit verklappt. Der kollateral verödete Sinn für die Sinnlosigkeit ist weg. Immerhin kommt die Erkenntnis pünktlich und raubt uns nicht noch ein halbes Leben, in dem wir von der Muße geküsst ausreichend materielle Bedürfnisse hätten befriedigen können, weil uns für die Entwicklung idealistischer Neigungen die nötige Distanz fehlte. Endlich genug Frust-Ration, jeden Tag ein Stückchen, jede Minute, in der wir das in Werbung und regelmäßig anschwappenden Predigten schöne Dasein nicht mehr genießen können, weil eine Digitaluhr dazwischen ist. Und so sehen wir die Tage verstreichen, die Rolltreppen sind defekt, der verspätete Zug hat Verspätung, die Vernunft hat Augenringe vom ständig bösen Erwachen. Schlafen können wir, wenn wir tot sind.





Bundesarbeitsdienst

24 05 2018

„Klar kann man das besser machen, aber wieso? Ist doch freiwillig?

Sie gucken jetzt komisch, kann ich verstehen, aber was soll denn diese Debatte? Ein Drittel der Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst bricht die Veranstaltung frühzeitig ab. Ich sage: gut so. Auf den Schrott können wir auch gepflegt verzichten, wir sind immer noch eins: freiwillig. Deshalb heißt das auch so. Freiwilligendienst. Hier zählt allein der Wille, und der ist eben nicht mit Geld zu bezahlen. Da ist die Wehrmacht, also was heute Bundeswehr heißt, die ist da schon rückschrittlich. Die haben zwar auch schon Freiwillige, aber denen muss man eben immer noch Geld zahlen, damit sie unser Land verteidigen. Auch irgendwie traurig.

Die jungen Leute haben heute ja eine viel spontanere Lebensplanung, die wollen sich direkt nach der Schule einfach noch nicht an eine Aufgabe binden. Die wollen erst mal in einer Ausbildung herumgammeln, ein Studium schmeißen, ein paar Jahre lang von Hartz IV leben oder ihren Eltern auf der Tasche liegen. Da können wir den Dienst noch so attraktiv machen, die werden immer einen Weg finden, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das ist nun mal so. Gucken Sie sich die modernen Parteien an, die FDP oder die anderen Rechten, die interessieren sich freiwillig auch nur noch für sich selbst.

Vor allem dürfen wir hier keine Erwartungen wecken. Stellen Sie sich mal vor, wir lassen die Bufdis mit Kindern aus dem sozialen Brennpunkt arbeiten. Die sind total euphorisch, studieren sofort Pädagogik, landen in der Schule, und was ist? total am Arsch, sage ich Ihnen, und dann haben wir die Bescherung. Die Trottel müssen wir alle mühsam wieder auf Fabrikarbeiter umschulen. Was das kostet! Und alles, weil nicht alle gesellschaftlich involvierten Kreise mal gemerkt haben, was hier vor sich geht. Stellen Sie sich mal vor, wir hätten dieses Desaster in der Pflege!

Der Freiwilligendienst ist durchaus zu verstehen als ein Einstieg in das Arbeitsleben. So wie der Zivildienst oder der Ein-Euro-Job. Wird nicht direkt bezahlt, ist aber betriebswirtschaftlich sehr gut in die Kalkulation integrierbar. Das muss man den Teilnehmern auch mehr vermitteln: dass sie hier nicht einfach mitmachen können, wie es ihnen passt, sondern dass sie den Dienst in der Sache auch ernstnehmen müssen. Vergleichen Sie das doch mal mit dem Kriegsdienst. Da steht plötzlich der Feind vor der Grenze, die Kanzlerin hat die natürlich mal wieder offen gelassen, und dann haben die vielen Soldaten ganz plötzlich keinen Bock mehr, unser Vaterland gegen den Islam zu verteidigen. Oder wer sonst zur Debatte steht. Das ist doch eine verlorene Generation!

Man könnte das natürlich arbeitsmarktpolitisch auch kombinieren, das ist schon richtig. Wer sich nicht für einen Freiwilligendienst meldet, der wird auch nicht für eine Berufsausbildung zugelassen. Bitte nicht verwechseln mit der anderen Option: wer sich freiwillig meldet, bekommt auch garantiert einen Ausbildungsplatz. Das ist Sozialismus. Damit haben wir hier nichts am Hut. Außerdem wüsste ich gerne mal, woher wir die ganzen Ausbildungsplätze nehmen sollen.

Obwohl so ein Bundesarbeitsdienst schon einige positive Nebenwirkungen hätte. Es gibt ja auch so eine Menge Arbeit, die in diesem Land erledigt werden muss, obwohl es niemanden gibt, der sie zahlen kann – zahlen will, so viel Zeit muss sein. Will. Ist ja ein Freiwilligendienst, da muss doch die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Also ich könnte mir das gut vorstellen, dass wir die jungen Leute in eine sozial angesehene Beschäftigung schicken. Sozial ist ja immer, was Arbeit schafft. In dieser Hinsicht könnten wir den Fachkräftemangel kurzfristig beheben, und es würde dann statistisch so gut wie keine Arbeitslosen mehr geben, weil es ja auch keine Stellen mehr gibt, auf die sie sich bewerben könnten. Dann nehmen wir die aus der Statistik endgültig raus, die Bufdis sind nicht als Arbeitslose gemeldet, und dann wird ein Schuh daraus.

Dass wir die Bezahlung gründlich einschränken müssen, dürfte dann auch klar sein. Wir wollen nicht riskieren, dass plötzlich Langzeitarbeitlose im Freiwilligendienst ihre Lebensläufe aufbessern. Die sind als Negativbeispiel gedacht, als Druckmittel für Niedriglöhner, als Verkaufshilfe für unsere Freunde bei der Springerpresse. Wir können es nicht auch noch zulassen, dass sich diese Schicht durch zu viel Eigeninitiative hervortut.

Und die Orientierungsfunktion sollten wir auf jeden Fall deutlicher herausarbeiten. Für junge Menschen, die noch nicht so richtig wissen, wie der Hase läuft. Denen können wir ein paar Piselotten in die Hand drücken und sagen: ist freiwillig hier, das machst Du gerne oder gar nicht. Darauf sollten wir aufbauen. Wir brauchen junge Leute, die sich für dieses Land einsetzen – zur Not auch gegen das Grundgesetz.“





Nicht ohne meinen Anwalt

23 05 2018

„So habe ich sie noch nie erlebt!“ Luzie knetete ihre Finger und schaute besorgt zu der Tür, hinter der seit einer guten Stunde der Mandant saß. Anne kam und kam nicht weiter. Es war zum Verzweifeln.

„Ich frage mich sowieso, wie sie diesen Mann vertreten will.“ Die Bürochefin knibbelte hektisch an einer Heftklammer herum, während im Beratungszimmer dumpfes Schweigen herrschte. „Wer ist es denn?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das ist es ja“, seufzte sie. „Er will es nicht sagen.“ „Doch nicht etwa ein Räuber“, argwöhnte ich, „der seine Verteidigerin nur ausnutzt?“ Energisch schüttelte Luzie den Kopf. „Wenn ich es richtig verstanden habe, will er gegen seinen Nachbarn Anzeige wegen Sachbeschädigung erstatten.“

Da öffnete sich unerwartet die Tür. Ein Herr im braunen Anzug hockte auf dem Besuchersessel, in den Händen hielt er einen Stapel Papier. Aber den hatte er, was schnell klar wurde, nicht zur Ansicht mitgebracht. „Wir werden gegen diesen Unhold vorgehen“, deklamierte er, „aber nicht mit unlauteren Methoden! Daraus dreht er uns nur wieder einen Strick!“ Einigermaßen waidwund hing Anne im Türrahmen, erschöpft von einer Stunde vergeblichen Verhörs, während der sie nichts aus dem Mann hatte herausbringen können. „Er hat eine zerkratzte Vordertür“, ächzte sie, „und der Spiegel ist abgebrochen, aber egal – frag ihn doch einfach selbst.“ „Warum nicht?“ Sie grinste schief. Mir war noch nicht klar, warum.

„Ihnen darf ich das sowieso gar nicht sagen“, protestierte er. „Und damit das klar ist, ich rede hier kein Wort mehr ohne meinen Anwalt!“ „Ich hätte auf einen soliden Sprung in der Schüssel getippt“, murmelte Anne. Aber so leicht machte er es uns auch nicht. „Nach diesem neuen Datenschutzgesetz müssen Sie meine Angaben streng vertraulich behandeln!“ „Das wollen wir ja“, wimmerte Anne. „Aber wie soll ich den Fall denn bearbeiten, wenn ich nicht einmal weiß, wer sie sind?“ „Ich darf das nicht einfach sagen“, belehrte er mich. „Erst müssen Sie mich schriftlich belehren, dass ich Ihnen zugestimmt habe – oder war’s umgekehrt? – auf jeden Fall wird alles gegen mich verwendet.“ Ich zog Anne beiseite. „Und Du bist Dir absolut sicher, dass der Typ nicht einfach einen Triller unterm Pony hat?“ „Dessen bin ich mir sogar ziemlich sicher“, gab sie grimmig zurück. „Er hat Luzie wortlos den Vorschuss auf den Tresen gelegt und sich geweigert, eine Quittung zu unterschreiben.“

Ich trat wie unabsichtlich ans Fenster und blickte auf den Vorplatz. „Momentchen“, sagte ich, „ich muss mal eben etwas gucken.“ Eine Minute später war ich wieder im Beratungszimmer. „Nun“, beschloss ich, „wir müssen den Fall zumindest theoretisch angehen, sonst kommen wir nicht weiter. Es handelt sich also um dieses rote Auto, das Ihr Nachbar mutwillig beschädigt hat?“ „Grau“, korrigierte er, „grau. Ich will mich nicht durch eine Falschaussage belasten, und ich hoffe, dass Sie das bemerkt haben.“ Anne nickte ergeben. Ich sah verstohlen auf meinen Schreibblock. Alles passte.

Mit einiger Mühe entlockten wir ihm, dass sich die Tat am gestrigen Abend abgespielt haben musste. „Sie haben natürlich keine Zeugen“, gab ich zu Bedenken. Doch ich hatte mich getäuscht. „Ich stand am Küchenfenster“, tobte der Mann. „Ich musste mit eigenen Augen ansehen, wie dieser… aber das tut jetzt nichts zur Sache. Es war ja auf meinem Grundstück, und da habe ich gesehen, wie er über den Zaun…“ Er biss sich auf die Unterlippe. Offenbar hatte ihn jetzt gerade der Datenschutz von einer vollumfänglichen Zeugenaussage abgehalten. „Aber sonst würde es doch niemand bestätigen, dass sich dieser Nachbar widerrechtlich auf Ihr Grundstück begeben hat, um Ihren Wagen zu zerkratzen?“ Er schnaubte angewidert durch die Nase. „Natürlich!“ Drohend blickte er mich an. „Die ganze Straße weiß, dass er nicht normal ist, jeder weiß das!“ Ein kurzes Häkchen auf dem Schreibblock. Dann stand ich auf. „Luzie wollte das unbedingt haben“, erklärte ich, „und wir werden die Sache danach schnellstens erledigen.“

„Halterfeststellung“, nickte Luzie. „Es gab nur einen grauen Wagen auf dem Parkplatz?“ Ich lächelte. „Genau genommen gab es nur einen mit zerkratzter Tür, aber ich wollte ganz sichergehen. Und dann müssten wir noch wissen, in welche Richtung sein Küchenfenster liegt. Schaffen Sie das?“ Sie rückte ihre Brille zurecht. „Geben Sie mir eine Viertelstunde.“

Es ging wesentlich schneller, und in der Zwischenzeit hatte der Mandant tatsächlich den einen oder anderen sachdienlichen Hinweis gegeben, nur leider langte alles das nicht. Da kam Luzie. Ich nahm ihr den Zettel aus der Hand. „Lassen Sie sehen, Doktor Watson.“ Er blickte mich misstrauisch an. „Ich glaube“, befand ich, „wir können den Fall nun ganz datenschutzkonform einer gerechten Lösung zuführen, und es sollte in Ihrem Sinne und zu bester Zufriedenheit verlaufen.“ Zur Vorsicht stimmte mir Anne sofort zu. „Lassen Sie nur, wir kümmern uns um alles und kommen dann auf Sie zu, wenn wir die nötigen Formalitäten erledigt haben.“ Er war äußerste verwirrt. Anne reichte ihm die Hand und schob ihn aus dem Beratungszimmer in Richtung Flur. „Der Täter wohnt in Nummer 37“, sagte sie. „Das reicht uns.“ „Aber…“ Sie sah im fest ins Auge. „Nur, damit das klar ist – von mir haben Sie das nicht!“





Schulden und Sühne

22 05 2018

„Im Grunde genommen können wir den ganzen Laden gleich dichtmachen.“ „Ich verstehe nicht genau, worauf Sie hinauswollen.“ „Die Schulden, also: Staatsschulden.“ „Aber die sinken doch gerade?“ „Eben, das ist ja das Schlimme.“

„Sie wollen nicht ernsthaft behaupten, dass wir ein Problem mit zu wenig Schulden hätten?“ „Was ist denn Ihrer Ansicht nach das drängendste Problem in diesem Land?“ „Gucken Sie sich die Infrastruktur an, dann sehen Sie es.“ „Also doch, wir machen zu wenig Schulden.“ „Wie denn, uns geht’s doch beschissen – schauen Sie sich das Land da draußen an, und dann sagen Sie mir, wie wir aus der Nummer wieder rauskommen sollen!“ „Was würden denn Sie machen?“ „Sofort das ganze Land sanieren, das schafft Arbeitsplätze, und dann…“ „Also mit Schulden. Einverstanden.“

„Ihnen ist nicht klar, dass wir alle der Staat sind?“ „Das will ich doch hoffen.“ „Dann muss Ihnen doch auch klar sein, dass wir alle diese große Schuldenlast zu tragen haben?“ „Ach, Sie meinen die Guthaben, die wir beim Staat haben?“ „Wer redet denn von Guthaben? Wir stehen alle in der Kreide!“ „Ich erkläre es Ihnen mal so: ich bin der Staat.“ „Das kommt hin, sehr vertrauenswürdig sehen Sie nämlich nicht aus.“ „Ich lache später, wenn’s Ihnen recht ist. Also ich bin jetzt der Staat und gebe Ihnen tausend Euro.“ „Wir komme ich denn dazu?“ „Naja, nicht bar, sondern…“ „Ich wusste doch, da ist wieder ein Trick!“ „Sie werden von Bargeld auch nicht satt, Sie müssen das beim Bäcker wieder gegen Brötchen eintauschen.“ „Jetzt werden Sie auch noch marxistisch?“ „Der Staat gibt Ihnen auch kein Bargeld, um einen halben Meter Schiene zwischen Garmisch und Erfurt zu bauen oder für den Bolzen an einer Brücke im Saarland.“ „Das wäre ja auch noch schöner!“ „Der Staat stellt Ihnen die Brücke einfach hin. Ihre tausend Euro sind da drin verbaut.“ „Und was hat das mit den Schulden zu tun?“ „Die zahlt er Ihnen ja aus. Als Guthaben.“ „Eben haben Sie noch gesagt, Sie geben mir tausend Euro, und jetzt verraten Sie mir erst, dass Sie dafür Schulden machen müssen!?“ „Sie begreifen langsam, aber immerhin.“ „Schweinerei! Der Staat soll mal lieber die Brücke sanieren, statt sein Geld aus dem Fenster zu schmeißen!“

„Wovon soll ich dann Ihre Brücke bezahlen und Ihre Bahnstrecke sanieren?“ „Sie haben doch genug Steuereinnahmen, oder ist das alles auch wieder nur ein Taschenspielertrick?“ „Also das darf ich?“ „Was dürfen Sie?“ „Steuereinnahmen für Investitionen nutzen, anstatt sie Ihnen wieder zurückzuzahlen.“ „Für Investitionen schon, aber doch nicht für mehr Schulden.“ „Das heißt, ich sollte von der Substanz leben?“ „Wieso, kriegen Sie denn keine Steuern mehr rein?“ „Das meine ich ja.“

„Sie müssen das mal so sehen: wir Deutschen sind nun einmal ein sparsames Volk.“ „Natürlich. Damals, nach dem Krieg, wir hatten ja gar nichts.“ „Lassen Sie die Witze. Fakt ist, dass wir sparen müssen.“ „Und was machen Sie mit dem Geld?“ „Ich lege das auf die Bank.“ „Vernünftig. Da bringt es wenigstens keine Zinsen.“ „Aktien sind auch keine sichere Anlage.“ „Staatsanleihen schon. Aber es ist ja Ihre Entscheidung, wenn Sie die Bank in den Ruin treiben.“ „Wieso…“ „Sie legen tausend Euro auf ein Bankkonto, das heißt: Sie ziehen sie aus dem Verkehr.“ „Ich muss doch für später…“ „Also wenn Sie sich beispielsweise mal ein Stück Schiene kaufen müssen.“ „So in etwa.“ „Und damit Sie in der Zwischenzeit noch genug zu jammern haben, dass die Schienen kaputt sind.“ „Jetzt werden Sie mal nicht persönlich!“ „Und dann nehmen Sie bewusst in Kauf, dass die Bank sich überschuldet.“ „Ich höre immer: Schulden, Schulden, bei wem denn?“ „Bei Ihnen. Die Bank schuldet Ihnen tausend Euro.“ „Die habe doch ich?“ „Die hat jetzt die Bank als Ihr Guthaben. Und da jedes Guthaben auf der anderen Seite auch wieder ein Fehlbetrag ist, haben Sie die Bank gezwungen, bei Ihnen mit tausend Euro in Schuld zu stehen.“ „Kann man denn da gar nichts machen?“ „Doch, lassen Sie sich das Geld einfach auszahlen.“ „Und dann?“ „Investieren Sie.“

„Wissen Sie, ich mache mir nur Sorgen um unsere Zukunft.“ „Sie meinen, da kommen keine Steuern mehr, weil wir alle nur noch sparen?“ „Nein, ich habe ein bisschen Angst, dass wir diese Schulden ja auch alle irgendwann einmal vererben müssen.“ „Sie meinen, Sie würden heute nicht zur Bank gehen und Ihr Guthaben dort lassen, weil Sie es nicht verantworten könnten, es bis morgen dort liegen zu lassen?“ „Aber die Schulden wachsen doch?“ „Die Guthaben auch. Wir vererben also nicht nur unsere Schulden, sondern auch unsere Vermögen.“ „Und deshalb müssen wir jetzt mehr investieren?“ „Wir müssen der kommenden Generation unsere Guthaben zumuten.“ „Und das schafft dann Investitionen?“ „Und Arbeitsplätze.“ „Interessant. Dann sollten wir vielleicht viel mehr in neue Schulden investieren.“ „Das wäre eine Möglichkeit.“ „Ach, wo wir gerade dabei sind: können Sie mir tausend Euro leihen?“